Montag, 29. Oktober 2012

Anwärtige Arbeitslose

Gestern waren wir bei einem eintrittsfreiem Sinfoniekonzert im Krönungsaal des Aachener Rathauses.

Ein Gedränge wie bei der Aktion "10 Cent pro Kugel Eis" einer Würselener Eisdiele. Mord und Totschlag. Der einzige Unterschied war das Publikum: es waren fein angezogene Konzertbesucher, die um den Eintritt durch die enge Glastür gegenseitig feindseelige Blicke austauschten.

Ich war total begeistert. Nicht von dem Schauspiel im Foyer des Rathauses, sondern von dem Orchester. Es wurde vorgestellt:

- ... vor Ihnen stehen junge motivierte Musiker ...

Ich scherzte mit meinen Bekannten:

- ... und warum sitzen unsere Kinder hier im Publikum?



Das Eröffnungstück war für mich das beste. Ich mußte meine Augen schließen, um den Klang der Musik voll genießen zu können. Es was "Der Schwan von Tuonela" von Jean Sibelius. Auch der Abschluß war super gespielt.

- Sie sind echt gut, nee ? Sagte ich zu meiner Freundin beim small talk in der Pause.

- Ja, diese anwärtigen Arbeitslosen, sie machen nächstes Jahr ihren Abschluß ...

Es war nicht herabwertend gemeint. Es ist die traurige Wahrheit. Diese jungen, talentierten, voll motivierten Musiker und Musikerinnen, die im Krönungssaal so strahlten, werden nach ihrem Abschluß bestimmt sehr schwer haben, einen gut bezahlten Job zu bekommen. Nicht jeder wird ein Lang Lang.

You know that we are living in a material world, so hat Madonna gesungen. So abwegig ist es nicht. Es wird immer wieder gepredigt, dass Geld nicht alles ist. Das stimmt ja auch. Aber das Leben ist einfacher, wenn man nicht in finanzielle Nöte gerät.

Als Kind wollte ich gern Lehrerin werden. Ein Beruf mit höchstem Ansehen in Vietnam aber mit dem geringsten Einkommen. Ich bin nicht Lehrerin geworden. In meiner Freizeit gebe ich Sprachunterricht für Kinder mit vietnamesischer Herkunft. Unprofessionell, unregelmäßig. Es macht mir Spaß.

Manchmal frage ich mich, ob ich dann glücklicher wäre, wenn ich eine echte Pädagogin geworden wäre? Oder lieber als "Hobby"-Lehrerin. So habe ich einen vernüftigen Beruf, der das I'M-A-Material-Girl in mir so einigermassen zufrieden stellt. Und ich kann es mir erlauben, auch mal öfter unpünktlich zum Unterricht zu erscheinen, was eine angestellte Lehrerin nicht immer möglich ist.

Ob es so stimmt, meine Logik?

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